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Dieses Werk gehört mit zu den umstrittensten Zeitpanoramen des zwanzigsten Jahrhunderts. Klaus Manns berühmter Roman über einen Schauspieler, der sich mit den Machthabern des Dritten Reiches einlässt, ist eine exemplarische Geschichte über Anpassung und Widerstand, Opportunismus und Verrat, Karrierestreben und Moral. Klaus Mann schrieb seinen „Mephisto“ in weniger als einem halben Jahr. Begonnen hatte er den Roman Anfang 1936 und im Mai desselben Jahres war das Manuskript bereits fertig. Kurz darauf erschien er in einer Pariser Zeitung als Vorabdruck. In der Hauptrolle glänzte der berühmte und ganz reale Schauspieler, Gustaf Gründgens, hier im Buch unter dem Namen Hendrik Höfgen benannt. Zweifelsfrei handelt es sich unverkennbar um einen Schlüsselroman, auch wenn der Verfasser auf der letzten Seite beteuerte, das alle Personen des Buchs lediglich „Typen“ darstellten, keinesfalls „Porträts“ seien. Jedenfalls lässt sich nicht leugnen, dass sehr viele Persönlichkeiten leicht wiedererkennbar sind, neben Gründgens selbst entdecken wir Hans Otto (Otto Ulrichs), Elisabeth Bergner (Dora Martin), Max Reinhardt (Der Professor), Herbert Ihering (Ihrig), Carl Sternheim (Theophil Marder), Gottfried Benn (Benjamin Pelz), Emmy Göring (Lotte Lindenthal), Pamela Wedekind (Nicoletta von Niebuhr), Thomas und Erika Mann (Geheimrat Bruckner und Barbara Bruckner) sowie viele andere.
Es ist, wie der Autor selbst in seinem Tagebuch notierte, ein „kaltes und böses Buch.“ Denn die eigentliche These des Romans beruht auf folgender Aussage: Gründgens diente sich nicht etwa aus politischer Überzeugung dem NS-Regime an, sondern aus purem Opportunismus. Er war dazu bereit, für seine künstlerische Karriere unter den gegebenen Voraussetzungen, jeden Preis zu zahlen, bis hin zur Selbstverleugnung und zum Verrat an seinen einstigen Weggefährten. Diese Kernthese ist es, die dieses Buch so „kalt und böse“ und so entlarvend macht. Seine Schärfe speist sich allerdings auch aus einem ganz privaten Hintergrund: Klaus Manns Verachtung gegenüber seinem charismatischen Ex-Schwager. Gründgens war noch vor der NS-Zeit mit der Schwester des Autors Erika Mann verheiratet, die im Roman Barbara heißt und deren feinfühliges Porträt eines der gelungensten des ganzen Buches ist. Klaus Mann kennt also seinen Protagonisten sehr genau, er hat ihn nicht erfunden, sondern bis ins Innerste erforscht und dargestellt, gerade das verleiht dem Text seine unvergleichliche Verve. Wahrscheinlich ist niemals eine andere reale Person je intensiver als Romanfigur durchleuchtet worden, wie eben dieser Gustaf Gründgens. Daher ist schon verständlich, dass der Porträtierte bzw. sein Rechtsnachfolger ein Erscheinen des Buchs im Nachkriegsdeutschland mit allen Mitteln zu verhindern suchten – was ihnen teilweise auch gelang. Aber letzten Endes lehrt uns die Geschichte, dass man ihren Progress auch auf diese Weise niemals gänzlich aufhalten kann.
„Die Jahrzehnte seit seiner Entstehung hat dieser Roman ohne jegliche Einbuße an Bedeutung und Schönheit überdauert.“ (FAZ)
Der Sprecher:
Ingolf Kloss, geb. 1973, kam 1994 als Co-Moderator zu Radio Leipzig, später Moderator und Produzent bei Radio Energy; seit 2000 ist er fest angestellter Moderator, Produzent und Musikredakteur bei Radio SAW, dort auch für alle Künstler-Interviews verantwortlich (u. a. Paul McCartney, Depeche Mode, Lenny Kravitz, Herbert Grönemeyer), seit 2003 hat er seine eigene tägliche Nachmittagsshow. Er lebt in Leipzig und Magdeburg. Mit Casanovas „Der unglückliche Canonikus“ gab er sein Debüt als Literaturinterpret bei hoerbuchedition words and music. Mit den Romanlesungen „Der große Gatsby“ und „Zärtlich ist die Nacht“, den zwei Hauptwerken des amerikanischen Romanciers F. Scott Fitzgerald, setzte er hohe Maßstäbe. Jetzt leiht er erstmals einem modernen Klassiker der deutschen Exilliteratur seine Stimme.
Der Autor:
Klaus Heinrich Thomas Mann (* 18. November 1906 in München; † 21. Mai 1949 in Cannes, Frankreich) war ein deutschsprachiger Schriftsteller. Der älteste Sohn von Thomas Mann begann seine literarische Laufbahn in der Zeit der Weimarer Republik als Außenseiter, da er in seinem frühen Werk Themen verarbeitete, die zur damaligen Zeit als Tabubruch galten. Nach seiner Emigration aus Deutschland im Jahr 1933 fand eine wesentliche Neuorientierung in der Thematik seiner Werke statt: Klaus Mann wurde zum kämpferischen Literaten gegen den Nationalsozialismus. Als Exilant nahm er 1943 die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Die Neuentdeckung seines Werkes in Deutschland fand erst viele Jahre nach seinem Tod statt. Klaus Mann gilt heute als einer der wichtigsten Repräsentanten der deutschsprachigen Exilliteratur nach 1933. (Wikipedia)