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Der expressionistische Lyriker Alfred Lichtenstein hat auch Prosastücke geschrieben – Grotesken, in denen er sich über einige seiner Bekannten und sich selbst lustig machte. In seinem Text „Café Klößchen“ porträtierte er sich selbst als buckliger Kuno Kohn; Lutz Laus und sein Dackel sind natürlich Karl Kraus und seine Zeitschrift „Die Fackel“. Dr. Bryller ist Kurt Hiller, Gottschalk Schulz ist Georg Heym, Max Mechenmal Jakob van Hoddis, und Spinoza Spaß ist Ernst Blass; Else Lasker-Schüler tritt als Maria Mondmilch auf, Gottfried Benn als Dr. Bruno Bibelbauer, und der Verleger Alfred Richard Meyer als Roland Rufus Müller. Das Café Klößchen ist Lichtensteins Spitzname für das legendäre „Café des Westens“ am Berliner Kurfürstendamm. Die Liebesgeschichte mit Schulz, Kohn und Lisel Liblichlein ist frei erfunden, und natürlich hat sich Heym nicht – wie Schulz – mit einem Salatmesser erstochen. Lichtenstein war kein Nihilist, kein schwarzer Pessimist, der wirklich am Leben gelitten hätte. Vielmehr parodierte er eine solche Haltung, indem er Kuno Kohn sagen lässt: „Der einzige Trost ist: traurig sein. Wenn die Traurigkeit in Verzweiflung ausartet, soll man grotesk werden. Man soll spaßeshalber weiter leben. Soll versuchen, in der Erkenntnis, dass das Dasein aus lauter brutalen, hundsgemeinen Scherzen besteht, Erhebung zu finden.“
Der Autor:
Alfred Lichtenstein wurde als Sohn eines Fabrikanten am 23.08.1889 in Berlin geboren. In seiner Geburtsstadt besuchte er das Luisenstädtische Gymnasium, welches er 1909 mit dem Abitur abschloss. Zunächst studierte er Rechtswissenschaften in Berlin, später in Erlangen. 1910 begann er erste Gedichte zu veröffentlichen. Zunächst in den frühexpressionistischen Zeitschriften „Sturm“ bei Herwarth Walden, ab 1912 auch in der „Aktion“ bei Franz Pfemfert. 1913 brachte er eine Gedichtsammlung unter dem Titel „Die Dämmerung“ bei dem mit ihm befreundeten Dichter und Kleinverleger Alfred Richard Meyer in Berlin Wilmersdorf heraus, im selben Jahr erhielt er seinen Dr. iur. (Doktor der Rechtswissenschaften) an der Universität Erlangen. Noch im gleichen Jahr ging er als Freiwilliger in ein bayerisches Infanterieregiment und nahm von Kriegsbeginn an am 1. Weltkrieg teil. Er starb bei einem Angriff am 25.09.1914 in Vermandevillers/Reims an der Westfront. Seine frühexpressionistische Lyrik zählt mit zum Besten was diese Zeitepoche hervorgebracht hat.
Der Sprecher:
Detlef Bierstedt (* 10. Juni 1952 in Berlin) ist ein deutscher Schauspieler, Hörspiel- und Hörbuchsprecher sowie ehemaliger Synchronsprecher. Seine Stimme ist vor allem durch zahlreiche Synchronisationen der Schauspieler George Clooney, Bill Pullman, John C. Reilly, Stellan Skarsgård, John Carroll Lynch, Michael McGrady und Jonathan Frakes bekannt.