Infotext
Barbara Wittmann und Detlef Bierstedt interpretieren schrille Gedichte und einen grotesken Prosatext des großen Frühexpressionisten Alfred Lichtenstein: Es sind Porträts von Trinkern, grauen Clowns, Irren, Huren und Rummelplatzgestalten, von himmelblauen Exzentrikern, unschuldigen Kindern, parfümierten Pudeln und „eigen schauenden Frauen“, von verrückten Literaten, Bürokraten und geschundene Rekruten. Den buckligen Dichter Kuno Kohn, ein Alter Ego Lichtensteins, treffen wir im „Café Klößchen“ und erleben mit ihm eine sehr seltsame Liebesgeschichte. Alle Texte Lichtensteins summieren sich zu einem bizarren Bild der magisch beleuchteten Stadtlandschaft Berlins. Am Ende steht der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die frühen lyrischen Todesahnungen des Dichters werden plötzlich grausamste Realität. Musikalisch eingefasst in expressive Klangbilder wurde dieses Hörbuch von zwei der kraftvollsten und farbenreichsten Instrumentalisten der internationalen Jazzszene: Aki Takase und Michael Griener.
Die Sprecher
Barbara Wittmann, geboren 1965, ist Schauspielerin und Regisseurin, absolvierte zwischen 1989 bis 1992 eine Schauspielausbildung in Berlin. Ab 2005 bis 2006 belegte sie Kurse im Acting Studio bei Monika Schubert. Sie spielte u. a. an Bühnen in Ingolstadt, Bregenz und in Berlin: 1992 in „Shakespeare´s Sonnets“ von Walter Gauchel, 1993 in „Hase Hase“ von Coline Serreau und 2005 in „Eine Frau allein“ von Dario Fo. 2006 stand sie als Schauspielerin vor der Kamera in dem Film „Leroy“ unter der Regie von Armin Völkers. Barbara Wittmann gibt auch Kinderbuch-Lesungen: „Ronja Räubertochter“ – mit Musik, „Nils Holgersson“, „Urmel aus dem Eis“ oder „Das Sams“. In Zusammenarbeit mit Aki Takase las sie 2006 „Dialoge aus Göttergeschichte“ von Gerlind Reinshagen im Berliner Brecht Haus.
Detlef Bierstedt (* 10. Juni 1952 in Berlin) ist ein deutscher Schauspieler, Hörspiel- und Hörbuchsprecher sowie ehemaliger Synchronsprecher. Seine Stimme ist vor allem durch zahlreiche Synchronisationen der Schauspieler George Clooney, Bill Pullman, John C. Reilly, Stellan Skarsgård, John Carroll Lynch, Michael McGrady und Jonathan Frakes bekannt.
Der Autor
Alfred Lichtenstein wurde als Sohn eines Fabrikanten am 23.08.1889 in Berlin geboren. In seiner Geburtsstadt besuchte er das Luisenstädtische Gymnasium, welches er 1909 mit dem Abitur abschloss. Zunächst studierte er Rechtswissenschaften in Berlin, später in Erlangen. 1910 begann er erste Gedichte zu veröffentlichen. Zunächst in den frühexpressionistischen Zeitschriften „Sturm“ bei Herwarth Walden, ab 1912 auch in der „Aktion“ bei Franz Pfemfert. 1913 brachte er eine Gedichtsammlung unter dem Titel „Die Dämmerung“ bei dem mit ihm befreundeten Dichter und Kleinverleger Alfred Richard Meyer in Berlin Wilmersdorf heraus, im selben Jahr erhielt er seinen Dr. iur. (Doktor der Rechtswissenschaften) an der Universität Erlangen. Noch im gleichen Jahr ging er als Freiwilliger in ein bayerisches Infanterieregiment und nahm von Kriegsbeginn an am 1. Weltkrieg teil. Er starb bei einem Angriff am 25.09.1914 in Vermandevillers/Reims an der Westfront. Seine frühexpressionistische Lyrik zählt mit zum Besten was diese Zeitepoche hervorgebracht hat.
Die Musiker
Aki Takase wurde in Osaka geboren und wuchs in Tokio auf. Klavierunterricht erhielt sie bereits ab dem dritten Lebensjahr. Klavier war auch das Hauptfach während ihres Musikstudiums an der Tohogakuen University in Tokyo. 1979 folgte ein längerer Aufenthalt in den USA. 1981 beim Berliner Jazzfest in der Philharmonie dann der erste gefeierte Auftritt ihres Trios mit Takeo Moriyama und Nobuyoshi Ino in Deutschland. Zusammenarbeit mit den Bassisten N.H.Ö. Pedersen und Miroslav Vitous sowie Musikern des europäischen New Jazz u. a. Even Parker, Han Bennink, Tristan Honsinger und Tony Oxley. Zahlreiche Konzerte und Schallplattenaufnahmen mit Dave Liebman, Sheila Jordan, Cecil McBee, Lester Bowie, Bob Moses, Joe Henderson, Niels Henning, Orsted Pedersen u.v.a. folgten. In den neunziger Jahren langjährig sehr erfolgreiche Duos mit der Sängerin Maria Joao, sowie mit dem Saxophonisten Davis Murray. Arbeit im Trio mit Reggie Workmann und Rashied Ali, im Duo mit Alexander von Schlippenbach, sowie gelegentliche Projekte mit dem Toki Streichquartett und dem Berlin Contemporary Jazz Orchestra. Aktuell vor allem ihre Zusammenarbeit sowohl mit dem Baßklarinettisten Rudi Mahall als auch mit der Lyrikerin Yoko Tawada jeweils im Duo, sowie ihr Trio Dempa (mit Aleks Kolkowski und Tony Buck). Schallplattenpreise der UDJ erhielt Aki Takase 1990 (Play Ballads of Duke Ellington), 1991 (Shima Shoka), 1994 (Blue Monk) und 1998 (Duet for Eric Dolphy). Von 1997 bis 2000 arbeitete sie als Gastprofessorin an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin. 1999 erhielt sie den Kritikerpreis der Berliner Zeitung. Im laufenden Jahr 2001 wurden bereits ihre Solo CD „Le Cahier du Bal“ (Leo Records) sowie ihr „W. C. Handy – Projekt“ mit Rudi Mahall, Nils Wogram, Fred Frith und Paul Lovens unter dem Titel „St. Louis Blues“ (Enja Records) veröffentlicht. Für ihre Produktion „Aki Takase plays Fats Waller“ wurde ihr 2004 der Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik für die beste Jazzproduktion verliehen. Seit 1987 lebt sie in Berlin.
Michael Griener beschäftigte sich intensiv mit den vielfältigen Formen der Jazztradition, der Freien Improvisation und Neuer Musik. Längere Zusammenarbeit mit Günter Christmann in verschiedenen Vario-Projekten. 2001 Förderpreis des Berliner Senats für sein Duo „Kimmo Elomaa“ mit dem Live-Elektroniker Jayrope. Er unterrichtet Schlagzeug und Rhythmik an der Musikhochschule Dresden und der Jazzschule Berlin. Stipendiat der Landesregierung Niedersachsen. Lebt seit 1994 in Berlin.
Konzertreisen führten ihn in die Türkei, nach Israel, den Niederlanden, der Schweiz, Marokko, Polen, Österreich, Spanien, USA und Frankreich. Michael Griener spielte zusammen u.a. mit Tal Farlow, Herb Ellis, Barry Guy, Mal Waldron, Conny Bauer, Axel Dörner, Paul Lovens, Zeena Parkins, Keith Tippet, Butch Morris, Uli Gumpert, Aki Takase, Mats Gustafsson, Joelle Leandre, Alexander v. Schlippenbach, Dave Liebman, Evan Parker, Matthias Schubert u.v.a.
Pressestimmen / Kritiken:
hr2-Hörbuchbestenliste, Januar 2008, Begründung der Jury:
„Diese CD will an den Dichter Alfred Lichtenstein erinnern, der sich gleich bei Ausbruch des I. Weltkrieges freiwillig meldete und 1914 bei Reims starb. Seine mit Verve vorgetragenen frühexpressionistischen Gedichte und ein Prosatext tragen die Vorahnung der Weltkatastrophe in sich und zeigen ein bizarres Bild Berlins.“
Die Welt / 12. Januar 2008:
„…Umso dankbarer ist man für diese – sorgfältig ausgewählte, musikalisch angemessen ausgestaltete, ausgesprochen passgenau gelesene – Höranthologie. Viel Zeitkolorit wird eingefangen. Akustische Anbiederung allerdings findet nicht statt. Gelesen wird angemessen. Eine wirkliche Wiederentdeckung liefert dieses Hörbuch. Verleger, bitte folgen Sie!“
bloom Das Musik-Magazin / Christian Liederer, 05.01.2008:
„…ein im wahrsten Sinne des Wortes außerordentliches Projekt.“
Der SR 2 Hörbuch-Tipp / Ralph Schock, 01.03.2008:
„Das Hörbuch bietet zweierlei: zum einen reine Lesungen der wuchtigen, ausdrucksstarken Gedichte durch Barbara Wittmann und Detlef Bierstedt; zum anderen werden die Rezitationen musikalisch begleitet und kommentiert von zwei bekannten Jazzern, von Aki Takase und Michael Griener.“