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Schon um 1820 waren Fortsetzungsromane beim Publikum beliebt. Die literarische Qualität stand jedoch meist in umgekehrtem Verhältnis zur Auflagenhöhe. Mit den „Memoiren des Satan“ strapazierte Wilhelm Hauff die Neugier seiner Leser auf geradezu sadistische Weise: 16 Monate verstrichen bis zur Veröffentlichung des 2. Teils. Wobei der Autor gleich einer russischen Matrjoschka die verschachtelten Erzählstränge abrupt unterbrechen und wieder einsetzen lässt. Ein artistisches Spiel mit der Gattung Novelle.
Wie 100 Jahre später Kurt Tucholsky im Kaiserreich und der Weimarer Republik nimmt Hauff mit sprachlicher Eleganz die gesellschaftlichen und kulturellen Eigenheiten im Deutschland der Restauration aufs Korn. Wobei es Deutschland politisch freilich noch gar nicht gab. Aus guten Gründen vermeidet er direkte Namensnennungen und macht den Teufel zu seinem persönlichen Sprachrohr. Vor dessen Spott ist nichts gefeit: die Halbbildung des aufstrebenden Bürgertums, die Bigotterie des Klerus, egal ob die Selbstherrlichkeit Roms oder der sinnenfeindliche Pietismus. Gleiches gilt für den gängigen Literaturbetrieb, den Nationalismus, das Studentenwesen. Das Großkapital hat ebenfalls nichts zu lachen, so beschreibt er den bizarren Frankfurter Börsenalltag, ohne dabei die jüdischen Finanziers mit generellem Antisemitismus zu überschütten. Der Teufel steht eben über den Dingen. Am Ende kriegt sogar Rossini noch sein Fett weg, dessen Musik dem Satan wie ein musikalischer Eintopf aus geklauten Zutaten vorkommt. Auch wenn Hauffs Text abschnittsweise tagespolitische Details beleuchtet, die heute bestenfalls dem Historiker geläufig sein dürften, besticht er durch Eloquenz, Originalität und vor allem viel Humor.
Mitteilung des Herausgebers: Da der Satan sehr geläufig schreibt, so gereicht es dem Verfasser zur Ehre, den Stil des Manuskriptes so täuschend echt nachgeahmt zu haben, dass man die Hahnenfeder kaum von dem Gänsekiel unterscheiden kann. Dennoch ist es dem Herausgeber nicht beschieden gewesen, alle in der Hörfassung enthaltenen Wortpassagen sprachlich völlig korrekt und somit verständlich wiederzugeben. Satan selbst hat hier aus ureigenen Datenschutzinteressen einige wenige Störgeräusche eingefügt, die kritische Wörter unverständlich werden lassen. Der Herausgeber bittet diesbezüglich der sehr satanischen Störgeräusche wegen die werte Hörerschaft um freundliches Verständnis.
Der Sprecher:
Peter Bieringer (*1957) gehörte viele Jahre zum Ensemble der NDR-Sprecher, seit 2006 ist er freischaffend. Seine Stimme ist präsent in zahllosen Radiofeatures, TV-Dokumentationen, Synchronrollen und Hörspielen. In seinem eigenen Studio entstanden bisher Dutzende Hörbuchtitel, darunter „Heeresbericht“, „Ich kann nicht vergeben“, „Luther lesen“, „Wie man ein Kind lieben soll“, „Jetzt ist unser Gesang der Jazz“, „Die Frau ohne Schatten“, „Acht Tage im Mai“, „Gefallene Ritter“, und zuletzt auch für die hoerbuchedition words and music: „Die Lebensansichten des Katers Murr“, „Meister Floh“ und „Die Fermate“ von E. T. A. Hoffmann und „Die Sängerin“ von Wilhelm Hauff.
Der Autor:
Wilhelm Hauff, geboren am 29. November 1802 in Stuttgart und gestorben am 18. November 1827 in Stuttgart (Herzogtum Württemberg), war ein deutscher Dichter und Schriftsteller, dessen Werk zur Spätromantik gezählt wird. Nach seiner Schulzeit studierte er von 1820 bis 1824 Theologie und Philosophie als Stipendiat des Evangelischen Stifts Tübingen an der Universität Tübingen und promovierte dort zum Dr. phil. Anschließend unterrichtete er als Hauslehrer die beiden Söhne von Ernst Eugen Freiherr von Hügel, einem württembergischen General und späteren Kriegsminister, bevor er später Redakteur des Cottaschen „Morgenblattes für gebildete Stände“ wurde. Hauff schrieb Romane, Erzählungen und Märchen und war ein Hauptvertreter der schwäbischen Dichterschule.