Infotext:
Dieses Hörbuch erschien zuerst im Jahr 2002 bei dem Label duo-phon records unter dem Titel „Solo für ein Mannequin von Grieneisen“.
Valeska Gert (1892–1978) zählt neben Mary Wigman zu den wichtigsten Vertreterinnen des avantgardistischen Tanzes in den 1920er-Jahren. Darüber hinaus war sie ein gefragter Stummfilmstar und später auch Darstellerin unter der Regie von Filmgrößen wie Federico Fellini, Rainer Werner Fassbinder und Volker Schlöndorff. Als Tochter einer jüdischen Familie und von den Nazis mit ihrer Kunst als „entartet“ diffamiert, verließ sie 1938 Deutschland. Sie emigrierte zunächst nach England, dann in die USA, wo sie jedoch nicht an ihre Erfolge anknüpfen konnte. 1947 kehrte sie nach Europa zurück und eröffnete zunächst in Zürich, anschließend in Berlin ein Kabarett, in dem sie dem jungen Klaus Kinski ein Forum bot. Sie selbst schlüpfte u.a. in die Rolle der KZ-Kommandeuse Ilse Koch, jene für ihre Grausamkeit bekannte und 1949 verurteilte Frau des Lagerkommandanten des KZ Buchenwald. 1951 eröffnete sie den legendären „Ziegenstall“ auf Sylt, ein Nachtlokal, in dem die Kellner (u.a. Klaus Kinski) nicht allein für das leibliche Wohl, sondern auch für eine amüsant-geistreiche Unterhaltung der Gäste sorgten. In den 1960er-Jahren stand sie dann wieder vor der Kamera und spielte u. a. in Fassbinders Serie „Acht Stunden sind kein Tag“ oder Schlöndorffs „Fangschuß“. Ihre gelebte Verbindung von Tanz, Schauspiel, Gesang und Kostüm beeinflusste nicht allein unzählige ihrer Zeitgenossen, sondern lebt auch nach ihrem Tod fort.
Leichen tanzte Valeska Gert gern – vor dem Sterben aber fürchtete sie sich. Schon als 14jähriges Mädchen lag sie nächtelang schlaflos in ihrem Bett, immer in Angstschweiß gebadet bei dem Gedanken, ein frühzeitiger Tod könne ihr Dasein abrupt beenden, noch bevor sie das eigentliche Leben kennen gelernt und ausgekostet habe: „Ich wäre beinahe verrückt geworden, wenn ich nicht angefangen hätte zu tanzen.“
Und sie tanzte – und entdeckte so das angenehm wohltuende, körperliche Empfinden, welches dabei die eigenen Bewegungen in ihr hervorriefen: „Auch auf unserem Hof rannte und hopste ich schnell herum und fühlte da zum ersten Mal diese Seligkeit, die man manchmal beim Tanzen spürt.“ Dieses Glücksgefühl muss wie ein Prickeln auf ihrer Haut gewesen sein, denn „Einmal zog ich mir ein rotes Chiffonkleid an und tanzte allein in einem dunklen Zimmer. Als ich mich drehte, bekam ich diesen Rausch, den ich von da ab immer suchte. Wenn ich ihn nicht fand, war ich niedergeschlagen.“ Die Suche nach künstlerischem Rausch wirkte wie ein Antrieb auf die eigenen Bewegungen, die tänzerischen Bewegungen schließlich wie Verdrängung der eigenen Todesängste. Ein suggestiver Zustand, der nicht nur allein Glücksempfindungen erzeugte, sondern auch in ihr die Erkenntnis reifen ließ, dass Leben und Sterben eine untrennbare Einheit bilden, beides unweigerlich zusammengehörig: „Wenn ich liebe, bekommt selbst der Tod etwas von dem Rausch mit ab und ich bin bereit zu sterben, >für< und >mit. Dieses Hörbuch ist wie ein Traumtanz durch das verrückte und prall gefüllte Leben Valeska Gerts.
Pressestimmen:
CD des Tages: Hommage an Valeska Gert: Solo für ein Mannequin von Grieneisen:
>Ich bin eine Hexe< verkündete sie selbstbewusst 1968 auf dem Titelblatt ihrer Memoiren – und sprach damit nur aus, was viele ihrer Zeitgenossen ohnehin schon lange von ihr dachten: Valeska Gert, Erfinderin der sozialkritischen Tanzpantomime, Kabarettistin, Barbesitzerin, Lebenskünstlerin. Im nächsten März jährt sich ihr Todestag zum 25.Mal. Anlass für das Label duo-phon schon jetzt eine Hörbuch-CD herauszubringen mit dem Titel: >Hommage an Valeska Gert: Solo für ein Mannequin von Grieneisen< – unsere CD des Tages. Der Autor Peter Eckhart Reichel stellt in dieser Hörcollage hauptsächlich Auszüge aus den diversen Memoirenbänden der Gert zusammen, die die Schauspieler Monika Hansen und Gerd Wameling höchst vergnüglich interpretieren. Besonders hervorzuheben ist aber, dass die wenigen Originalaufnahmen Valeska Gerts auf dieser CD nach genau 40 Jahren erstmals wieder zugänglich gemacht werden. Im November 1961 hatte der Fotograf Herbert Tobias seine mütterliche Freundin Valeska Gert in die Studios der Deutschen Grammophon zitiert, wo er sich zeitweise als Aufnahmeleiter verdingte. Ihm ist es zu verdanken, dass sich die skurrile Vortragskunst einer der bedeutendsten deutschen Künstlerinnen, die ihre Wurzeln direkt bei den Dadaisten und Surrealisten hatte, wenigstens akustisch bis in unsere Tage erhalten hat. (Jo van Nelson: Die Alternative / hr2, 26.09.2002)
…ein äußerst lebhaftes Porträt einer ungewöhnlichen Persönlichkeit. (Oldie Markt 08/03)
Einen besonderen Reiz des Zuhörens geben Originaltonmitschnitte von Couplets der Valeska Gert, voll süffisanter Theatralik, schwarzhumorig, ironisch – ein zusätzliches Hörvergnügen. (Karl Knietzsch: DRESDNER NEUSTE NACHRICHTEN / 3.12.04)
Monika Hansen als Erinnerungsstimme der Valeska Gert ist eine frappierende Besetzungsidee. (Stephan Göritz am 30. November 2005 in der Sendereihe: Querköpfe – Kabarett, Comedy und schräge Lieder – Deutschlandfunk)
Die Sprecher:
Monika Hansen (* 1943) ist eine deutsche Theater- und Filmschauspielerin.
Gerd Wameling (* April 1948 in Paderborn) ist ein deutscher Theater- und Filmschauspieler, Synchronsprecher und Hörspielsprecher sowie Hörbuchsprecher.
Der Autor:
Peter Eckhart Reichel (* 27. Juni 1957 in Dresden) ist Autor, Hörspielregisseur und Hörbuchproduzent.